Donnerstag, 22. November 2012

FLECHTEN

PIONIERE und WEGBEREITER
     
Bunte Gesellschaft von Krustenflechten auf einem Fels
Flechten sind Pioniere, die den Lebensraum für Pflanzen aufbereiten können. Die  abgesonderte Flechtensäure greift das Gestein an. Flechten sind resistent gegen Austrocknung und Frost. Sie können Temperaturen von – 47°C (in der Antarktis sogar – 196°C), in trockenem Zustand bis +70°C überleben und sind daher in der Lage, extremste Lebensräume zu besiedeln: man findet sie von der Wüste bis auf die höchsten Gipfel der Alpen und in der Antarktis. Ihre Wachstumsrate ist gering, je nach Art, Klima und Substrat dem sie aufsitzen zwischen 0,01 bis einige mm pro Jahr. Sie können mehrere hundert Jahre alt werden.
                                                                                                                         posted by Rudolf Hofer   
 
Querschnitt durch eine Blattflechte (wikipedia)
       
Flechten sind Lebensgemeinschaften aus Pilzen (meist Schlauchpilze) und Grünalgen oder Cyanobakterien („Blaualgen“). Der Pilz gibt durch sein Hyphengeflecht der Flechte Gestalt und Struktur und schützt vor zu rascher Austrocknung und vor UV-Strahlung. Die Algen im Inneren der Flechte liefern Nährstoffe aus der Photosynthese. Der Pilz ist die dominante Komponente, ist aber ohne Algen nicht lebensfähig. Die Algen hingegen kommen auch frei vor. In unseren Breiten gibt es über 2500 Arten. Je nach Wuchsform unterscheidet man Krustenflechten, Blattflechten und Strauchflechten.

Zeichenerklärung:
a: Rinde aus dichtem Pilzgeflecht (Oberseite)
b: Algenschicht in einem lockeren Pilzgeflecht 
c: Markschicht aus Pilzgeflecht
d: dem Substrat zugewandte Rindenschicht
e: Rhizine (wurzelartige Pilzfäden zur Verankerung am Substrat)




Apothecien einer Gewöhnlichen Gelbflechte (Xanthoria parietina)



Flechten verfügen über unterschiedliche Fortpflanzungsstrategie. Die Pilzkomponente kann sexuelle (Apothecien und Perithecien) und asexuelle Sporen  (Pyknidien) bilden, die auf geeigneten Substraten auskeimen, aber mit einem Algenpartner in Kontakt treten müssen, um weiterzuleben. Daneben werden kleinste vegetative Vermehrungsorgane, bestehend aus Hyphen und Algen gebildet (Isidien und Soralen), die von Wind und Wasser verbreitet werden oder abgebrochene Bruchstücke wachsen an einer anderen Stelle weiter.

 
Gewöhnliche Bartflechte (Usnea filipendula)




Viele Flechten sind sehr empfindlich gegen Luftverschmutzung und andere Umweltveränderungen  (vor allem baumbewohnende Blatt- und Strauchflechten). Sie sind daher als Zeigerorganismen (Indikatoren) für die Luftqualität.



In nebelreichen Wäldern sind die Bäume mit Bartflechten dicht bewachsen. Die etwa 15 cm langen, von den Ästen hängenden Strauchflechten reagieren sensibel auf Luftbelastungen und forstwirtschaftliche Veränderungen.
                          






Nutzen für den Menschen
    
Landkartenflechten (Rhizocarpon geographicum) auf Silikatfelsen
 Neben der Verwendung zur langfristigen Überwachung von Luftbelastungen (siehe oben) dient die extrem langsam wachsende Landkartenflechte, die bis zu tausend Jahre alt wird,  zur Altersdatierung des Gletscherrückzuges.

Wolfsflechten (Letharia vulpina) wachsen auf Zirben und Lärchen
Im Norden wurden früher Isländisch Moos und die Bewimperte Nabelflechte als Notnahrung genutzt und verschiedene Flechtenarten (z.B. Gewöhnliche Gelbflechte, Berußte Nabelflechte) dienten zur Farbgewinnung. Zum Vergiften von Wolfs- und Fuchsködern wurde die Wolfsflechte verwendet.

Auch in der Naturheilkunde wurden Flechten genutzt, wie z.B. die Echte Becherflechte gegen Fieber und Keuchhusten (Herba ignis). Noch heute finden Isländisch Moos zur Behandlung gereizter Schleimhäute und von Husten, Bartflechten gegen Hauterkrankungen (Usninsäure wirkt antibiotisch) und die Lungenflechte in der homöopathischen Bekämpfung von Husten Verwendung. 
Die Pflaumenflechte spielt eine Rolle bei der Herstellung von Duftstoffen (Hauptbestandteil der Duftnote Chypre und Fougère).

 Fotos:  focusnatura

Weiterführende Literatur

Flechten und Bioindikation
Die Bunte Welt der Flechten
Flechten-Galerie
Flechten-wikipedia

Farbatlas Flechten und Moose (V. Wirth u. R. Düll) - Ulmer Verlag, ISBN: 3-8001-3517-5